Falsche Wohnfläche im Mietvertrag: Warum die "10%-Toleranz" bei Nebenkosten NICHT gilt

​Es ist ein Klassiker: Im Mietvertrag stehen "ca. 100 qm". Der Mieter greift zum Zollstock, misst nach und kommt auf nur 92 qm. Er fordert Geld zurück und will künftig weniger Nebenkosten zahlen.

​Viele Vermieter lehnen sich entspannt zurück und denken: "Solange die Abweichung unter 10% liegt, gilt die Vertragsgröße. Das habe ich mal so gehört."

​Für die Kaltmiete stimmt das oft noch. Aber für die Nebenkostenabrechnung ist dieser Gedanke falsch und gefährlich. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hier eine klare Kehrtwende vollzogen.

​Hier erfahren Sie, welche Quadratmeterzahl Sie für die Abrechnung wirklich nutzen müssen.

​1. Das BGH-Urteil: Das Ende der Toleranz

​Früher galt die 10%-Hürde auch für Nebenkosten. Das hat der BGH (Az. VIII ZR 266/14) gekippt.

Die neue Regel:

Bei der Verteilung von Betriebskosten kommt es ausschließlich auf die tatsächliche Wohnfläche an.

  • ​Es ist völlig egal, was im Mietvertrag steht.

  • ​Es gibt keine 10%-Toleranzgrenze mehr.

  • ​Wenn die Wohnung tatsächlich 98 qm hat, im Vertrag aber 100 qm stehen, müssen Sie die Nebenkosten (Grundsteuer, Versicherung etc.) zwingend nach 98 qm abrechnen.

​Tun Sie das nicht und rechnen weiter mit 100 qm ab, ist Ihre Abrechnung inhaltlich falsch und der Mieter kann den zu viel gezahlten Anteil zurückfordern (bzw. die Nachzahlung kürzen).

​2. Das Dilemma: Kaltmiete vs. Nebenkosten

​Das Verwirrende für Vermieter ist, dass wir jetzt mit zwei Maßen rechnen müssen:

  1. Für die Kaltmiete (Mietminderung): Hier gilt oft noch die 10%-Regel. Ist die Wohnung nur 5% kleiner als im Vertrag, gilt sie als "mängelfrei", und der Mieter kann die Kaltmiete meist nicht mindern.

  2. Für die Nebenkosten: Hier gilt die echte, gemessene Fläche. Jeder Quadratmeter, der nicht existiert, darf auch keine Kosten verursachen.

Ihr Risiko: Wenn Sie wissentlich eine falsche (zu hohe) Fläche für die Nebenkosten ansetzen, riskieren Sie nicht nur eine Korrektur, sondern verspielen auch Vertrauen.

​3. Was tun bei "ca."-Angaben?

​Viele Vermieter schreiben "ca. 80 qm" in den Vertrag, um sich abzusichern.

Für die Nebenkostenabrechnung schützt Sie das nicht. "Ca." ist kein Freibrief, um Kosten auf nicht vorhandene Flächen zu verteilen.

Die Lösung:

Messen Sie nach! Wenn Sie unsicher sind oder alte Pläne haben, nehmen Sie sich einen Lasermesser und prüfen Sie die Tatsachen.

  • ​Korrigieren Sie den Verteilerschlüssel in Ihrer Abrechnung (und in unserer Google-Sheet-Vorlage!) auf den tatsächlichen Wert.

  • ​Informieren Sie den Mieter proaktiv: "Ich habe festgestellt, die Fläche ist 2qm kleiner. Ich rechne ab sofort zu Ihren Gunsten mit dem kleineren Wert ab." Das macht Sie zum fairsten Vermieter der Welt.

​Insider-Tipps:

​Der häufigste Grund für Flächenabweichungen sind Dachschrägen.

  • Regel: Flächen unter 1 Meter Höhe zählen zu 0%. Flächen zwischen 1 und 2 Metern Höhe zählen zu 50%.

  • ​Viele Vermieter messen einfach die Grundfläche des Bodens. Das ist falsch! Wenn Sie eine Dachgeschosswohnung vermieten, überprüfen Sie die Berechnung nach der Wohnflächenverordnung (WoFlV). Hier schlummern oft 10-20% Abweichung, die Ihnen bei der nächsten Abrechnung auf die Füße fallen können.

  • ​Achtung bei Balkonen und Terrassen: Diese dürfen in der Regel nur zu 25% (maximal 50% bei sehr hoher Qualität) zur Wohnfläche angerechnet werden. Ich habe schon in vielen alten Verträgen gesehen, dass oft pauschal mit 50% gerechnet wird, was nach heutigem Standard oft zu viel ist. Prüfen Sie das!

  • ​Denken Sie daran: Wenn Sie die Fläche einer Wohnung nach unten korrigieren, ändert sich auch die Gesamtwohnfläche des Hauses (der Nenner im Bruch). Sie müssen also die Gesamtsumme in Ihrer Abrechnung anpassen, sonst bleiben Sie auf den Kosten für die fehlenden 2 qm sitzen.

(Haftungsausschluss: Dieser Artikel stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar. Die Wohnflächenberechnung ist technisch komplex. Im Zweifel hilft ein Architekt oder Gutachter.)

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Nebenkostenabrechnung per E-Mail: Ist das rechtssicher oder riskant?